Reduktionsprogramm chemischer Pflanzenschutz

Kommentar  Jürgen Hass,  ARBEITSKREIS ERWERBSOBSTBAU PFALZ

Das von Frau Künast Ende 2004 vorgestellte "Reduktionsprogramm chemischer Pflanzenschutz", welches nach ihrer Aussage im Einvernehmen mit allen beteiligten Interessensgruppen erarbeitet worden ist, war schon gleich nach seiner Veröffentlichung von Umwelt- und Naturschutzverbänden massiv kritisiert worden.
Während im Programm realistischerweise von einer fortschreitenden Risikominimierung für Umwelt und Verbraucher mit daraus resultierender weitestgehender Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes ausgegangen wird, erneuern diese an dessen Ausarbeitung beteiligten Verbände entgegen vorheriger Absprache die von jeglicher Sachkenntnis entblößte alte Forderung nach einer pauschalen Mengenreduktion der eingesetzten Pflanzenschutzmittel um 30 % bis zum Jahr 2008. Äußerungen von Vertretern des BMVEL lassen ein populistisch motiviertes Einknicken in diese Richtung vermuten.
Sollte das Reduktionsprogramm dahingehend zurückentwickelt werden, haben wir uns im Obstbau mit der umfassenden Teilnahme am "NEPTUN-Programm" zur Ermittlung eines Behandlungsindex einen Bärendienst erwiesen. Der Behandlungsindex ist die zentrale Größe im Reduktionsprogramm und würde dann als zahlenmäßige Grundlage für die Reduzierung dienen. Als Ausgangspunkt dient bisher das Jahr 2001, das heißt mehr als 10 Jahre freiwilliger Reduktion im Rahmen der Entwicklung des integrierten Anbaus mit all den bereits eingeführten Instrumenten wie schlagbezogene Aufzeichnung von Pflanzenschutz- u. Düngungsmaßnahmen, Schadschwellenprinzip, Prognosemodelle, Düngung nach Bodenuntersuchung mit vorgegebenen Höchstmengen u.s.w. würden nicht berücksichtigt. Alles Dinge, die in anderen Bereichen der Landwirtschaft erst noch eingeführt werden müssen mit entsprechendem Reduktionspotential, während der Obstbau zulassungsbedingt in einigen Kulturen nur noch mit Ausnahmeregelungen wirtschaften kann, weil nicht ein einziges Mittel für bestimmte Indikationen mehr vorhanden ist.

Aber auch in der aktuellen Version weist das "Reduktionsprogramm chemischer Pflanzenschutz" eine ideologisch motivierte Verwerfung in der Sachargumentation auf. Obwohl bei der Vorstellung des "NEPTUN-Programms" die Beteiligung biologisch wirtschaftender Betriebe an der Erhebung ausdrücklich vorgesehen und als Hauptargument gegenüber ablehnenden Stimmen innerhalb der Bundesfachgruppe angeführt worden war, sind diese nun auf ausdrücklichen Wunsch des BMVEL ausgenommem. Als Begründung wird angeführt, dass im biologischen Anbau keine chemisch-synthetischen Mittel verwendet werden dürften.

Dabei wird für nicht sachkundige Leser späterer Veröffentlichungen die erlaubte Anwendung von anorganischen Mitteln, wie hauptsächlich Schwefel- und in geringerem Umfang Kupferpräparate unterschlagen, deren Anwendung umgekehrt dem Behandlungsindex im konventionellen bzw. integrierten Anbau selbstverständlich zugerechnet wird.

Diese Vorgehensweise ist sachlich nicht zu begründen - entweder werden diese Mittel generell nicht angerechnet, oder es wird auf der gleichen Basis auch für den Bio-Anbau ein Behandlungsindex erstellt.
Ansonsten liegt der Verdacht nahe, dass die Verfasser des Reduktionsprogramms den zumeist desinformierten Konsumenten von Bio-Produkten nicht auf den Umstand aufmerksam machen wollen, dass auch im Bio-Anbau "Pestizide" angewendet werden - ist dieser doch im Allgemeinen der Illusion verfallen dort würde nicht "gespritzt". Im Gegenzug wird durch die Zurechnung der im biologischen Anbau erlaubten Mittel der so sehr geächtete "Pestizideinsatz" im konventionellen, bzw. integrierten Anbau zusätzlich relativ überhöht.
Die Gefahr einer Desillusionisierung ist verständlich, wenn man weiß, dass der Behandlungsindex in manchem Bio-Betrieb z.B. im Apfelanbau, vor allem im Rahmen des zuletzt auf EU-Normen basierenden Öko-Siegels in der Anzahl der Spritzungen dem manches integriert wirtschaftenden Betriebes nahe kommt.
Allein dieser Umstand führt den Behandlungsindex als alleiniges Kriterium für eine umweltschonende Wirtschaftsweise "ad absurdum". Es kommt nicht darauf an, wie oft "gespritzt" wird, sondern welche Auswirkungen die ausgebrachten Substanzen auf die Umwelt haben und dass evtl. noch auf dem fertigen Produkt nachweisbare Rückständeverhalten bzw. dass diese im Sinne des Verbraucherschutzes gesundheitlich unbedenklich sind.
In diesem Zusammenhang ist auch der im Programm angestrebte undifferenzierte Einbau des Behandlungsindex in das QS-System unter den derzeit bestehenden unterschiedlichen Produktionsbedingungen innerhalb der EU abzulehnen.
Die vorgesehene Einrichtung einer Bundesstelle zum "Reduktionsprogramm chemischer Pflanzenschutz" mit den Aufgabenbereichen u.a. Weiterentwicklung der "guten fachlichen Praxis" im Pflanzenschutz und der Grundsätze des "integrierten Pflanzenschutzes" birgt die Gefahr, dass dem Berufsstand das Heft des Handelns aus der Hand geschlagen wird und durch ministerielle Initiativen die Geschwindigkeit der Entwicklung in Richtung der aktuell propagierten "Ökologisierung der Landwirtschaft" übergestülpt werden soll.

Diese Befürchtung wird nicht gerade kleiner, wenn man weiß, dass sich das beratende Forum dieser Bundesstelle in der Reihenfolge nach Wertigkeit wie folgt zusammensetzt:

  1. Verbraucherschutz,
  2. Umwelt und Naturschutz,
  3. Landwirtschaft, Gartenbau u. Forsten, usw..
Die Umwelt- u. Naturschutzverbände werden auf ausdrücklichen Wunsch des BMVEL an der Entwicklung beteiligt.

Leider zeigt die Erfahrung, dass eine sachliche Argumentation mit diesen Beteiligten, wenn überhaupt, nur in Teilbereichen möglich ist.
Letztendlich kehren sie, wie eingangs erwähnt, aus Rücksicht gegenüber ihrem Klientel, mit dessen Mitgliedsbeiträgen und Spenden sie sich finanzieren, zur vorgegebenen ideologischen Grundlinie zurück. Dies fällt um so leichter, als sie in beliebiger Form und Umfang Forderungen aufstellen können, deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen sie nicht politisch zu verantworten haben und an deren Umsetzung sie nicht einmal substanziell, geschweige denn finanziell beteiligt sind.







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